21. November 2017

Auf die Butterseite fallen

»Dummes« Winterbohnenkraut (»Bohnenstroh«), Foto hierher
Bei Sprichwörten war ich immer der Meinung, man müsse sie sich auch im übertragen angewandten Fall bildlich vorstellen können. Das verlangt vom Autor ihren bewussten Einsatz, einen Augenblick Innehalten, einen kurzen Seitenblick auf oft gedankenlos eingesetzte Bilder.
   Kann sich eine Blechlawine stauen? Oder sieht man in einer Lawine nicht eher ein schnelles, sich beschleunigendes Rutschen als einen wüsten Scheehaufen?
   Bei »dumm wie Bohnenstroh« ist das Bild inzwischen unwichtig geworden, weil sich keiner mehr Strohmatratzen vorstellen kann. Ich sollte meine als Kind am Hof noch täglich durch den Schlitz oben auflockern, das gehörte zum Bettenmachen. Was daran so dumm sein soll, wäre aber auch mir nie in den Sinn gekommen. Und in der Wikipedia nachsehen, das konnte man damals nicht.
   Im schönen Artikel von Kolumnistin Daniele Muscionico aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 21.11.17 über Michelle Hunziker, »Die Schöne ist das Biest«, fiel mir heute die Butterseite auf: »Wer als Frau so lächeln kann wie sie, wird immer auf die Butterseite des Lebens fallen. Oder von einem Mann auf dieselbe gelegt werden.«
   In meiner Vorstellung sehe ich immer ein Butterbrot mit der Butterseite im Dreck liegen – Pech also! Inwischen überwiegt für die meisten wohl die Butter im Bild. Die Leute nehmen’s für Glück, was auch immer mit der Butterseite passiert. Bildfaul. Schwamm drüber, Butter drauf statt billiger Margarine, und sei’s – horribile dictu – im Bette liegend.
   Ein deutscher »Redensarten-Index« bringt immer noch zuerst die negative Bedeutung des auf die Butterseite Gefallenen, das Pech, hier. Die widersprüchliche glückliche Sicht schreibt der »Index« eher einer »Butterseite des Lebens« zu, als einem Herunterfallen. Somit müsse die Redensart »im Einzelfall aus dem Kontext heraus interpretiert werden«. Schade. Schlamperei.

Wenn ein bebutterter Toast vom Frühstückstisch rutscht.
   Bacon et al. 2000: “A closer look at tumbling toast” 
Dreht sich der Toast beim Fallen um 90 bis 170 Grad, dann fällt er auf die Butterseite. Das hängt vom Überhang (overhang) des Schwerpunkts ab, ab dem der Fall tatsächlich beginnt.
   Eine alte Theorie, die Rutschen (slipping) nicht berücksichtigt, lässt den Toast eigentlich immer auf die Butterseite fallen. Die in der Arbeit aus dem Jahr 2000 neu vorgestellte, vollständigere Theorie, kommt dagegen zum Ergebnis, dass das in 63 Prozent des möglichen Überhangs nicht so ist: Der Toast landet glücklich mit der Butter nach oben. Nur: Fast immer fällt der Toast bei erster Gelegenheit, also schon bei einem Überhang des Schwerpunkts von bis zu 8 Millimeter – wohl, weil der verursachende Ellenbogen nicht genügend schwungvoll eingesetzt wurde, mein’ ich: Also zeigt die Butterseite doch meist zu Boden! Pech bleibt Pech. Murphy bleibt bestätigt.

NZZ-Artikel:
   https://www.nzz.ch/gesellschaft/die-schoene-ist-das-biest-ld.1329269
Das Sprichwort im »Lexikon«:
   https://www.redensarten-index.de/suche.php?suchbegriff=~~auf%20die%20Butterseite%20fallen&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou
Die Studie:
   https://space.umd.edu/dch/p405s04/AJP00038.pdf
Das Video (deutsch):
   https://www.youtube.com/watch?v=anQo1D42DM8
Weitere Gedanken:
   https://lostinscience.wordpress.com/2013/02/10/why-toast-lands-buttered-side-down/

Link zu diesem Blog-Eintrag (Post, sprich Po-ust):
 https://blogabissl.blogspot.com/2017/11/auf-die-butterseite-fallen.html

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