18. November 2015

Islam gewalttätig

Istanbul, blaue Moschee, 9. 6. 2014.
Eine junge Frau versucht gemeinsam mit ihrem Mann
oder Freund im öffentlichen Teil zu beten.
Ein Wächter verweist sie kompromisslos hinten
auf den separaten Gebetsbereich für Frauen.
Foto Jörn, mehr im Album Istanbul
»Seine Rechtsgelehrten hatten schon 1986 für das Selbstmordattental den Terminus ›Märthyrertod-Operation‹ (›amaliya istischhadiya‹) eingeführt und damit jeglichen Bezug auf zum islamrechtlich verbotenen Selbstmord verwischt«, schreibt Joseph Croitoru. »Der IS macht im Grundsatz nicht viel anderes als die Herrscher Saudi­arabiens oder Irans: Er benutzt den Koran als Waffe. Der Koran ist ein rauchender Colt«, Necla Kelek.
   Wenn wir für einmal das Vorurteil, der Islam sei gewalttätig, gelten lassen und uns damit auseiandersetzen, kommen wir sofort zur Frage: und wir? Sind »wir« friedlich? Wenn Andreas L. am 24. März 2015 einen Airbus mit 150 Menschen in den Berg steuert, dann war das kein Moslem – er hat seine Untat aber auch nicht mit dem Willen Gottes erklärt. (Und wenn, so wäre ein Aufschrei durchs Christentum gelaufen.)
   Und dann: Wo beginnt Gewalt? Muss es gleich Tod und Verderben sein? Steini­gun­gen? Verführung ganzer Schulklassen von Mädchen in Afrika oder Jugendlichen in Mexiko? Oder reicht es, wenn Frauen nicht mit Männern in der Moschee beten dürfen? Wenn sie hinten im Eck verschwinden müssen, unter Kopftüchern, hinter Schleiern? Auch das ist schon Gewalt, und wenn’s »nur« eine Sitte ist. Trivial: Wie oft habe ich schon einer Frau das Männerklo freigehalten, wenn’s Not tat.
   Was hilft gegen Gewalt? »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« – Es ist kein anderes Gebot größer denn diese (Markus 12.31), womit Gottes- und Nächstenliebe gleichgesetzt werden, Worte Jesu Christi. Davon leitet sich ab, dass Christen in erster Linie liebevoll sein sollen – was sie oft genug nicht sind, und auch nicht waren. Trotzdem: Die Richtung stimmt. 
   Mir fällt auf, dass im hiesigen Christentum die Moral keine Rolle mehr spielt. Besonders die drohende Hölle wird totgeschwiegen. Wir machen’s uns hienieden bequem, vom Himmel kommt das Internet. Pfingsten, wie Angela Merkel fragt? »Mir kommt einfach vor, dass es mit der Christlichkeit im Alltag bei uns auch nicht besonders weit her ist – womit treten wir also dem Islam gegenüber?«, fragt meine Tochter.
   Zuerst komme Frieden, dann Gerechtigkeit. Da müssen wir die Prioritäten ändern; kleines, »harmloses« Beispiel: Es wird immer von der völkerrechtswidrigen Annektion der Krim gesprochen, nie von der friedlichen!
   Zum Schluss zum Extrem. Wollten wir mit Gewalt Attentate verhindern, so bliebe am Ende nichts anderes übrig als das, was die Wehrmacht gegen Partisanen tat. Und davor b’hüt uns Gott!
 
Angela Merkel über Islamisierung, 3:35-Video der SRF vom 3.9. 2015

Leider kann ich nicht verifizieren, ob die Übersetzung des Predigers während des Haddsch korrekt ist. Hier das Video auf Facebook.
   Sonst kann man nur hoffen, dass auch viele der frommen Teilnehmer nichts verstehen …

Aus meinem Blog:
 Kriegerischer Islam? – noch mit Fragezeichen
 Selbstmord 
 Frau im Islam

Link hierher http://blogabissl.blogspot.com/2015/11/islam-gewalttatig.html

Nachträgliche« Links:
• »Das große arabische Aber«, Zeit online
• »Islamisierung Europas«, die Presse (lang)
• »Ein theologischer Diskurs ist nötig«, meint Martin Grichting in einem Meinungsbeitrag in der NZZ vom 27.11.15 (int.Ausg.), leider nur für Abonnenten online verfügbar. – Update: Hier ist er online.
   »Eine Religion, die aufgrund ihrer Glaubenslehre Säkularität ermöglicht, hat andere Aufgaben und Potenziale als eine Religion, die ein monistisches System begründer, die alles unter ein Grundprinzip stellt«, schreibt er, das Christentum mit sowohl »Schöpfungs-« als auch »Offenbarungsordnung« dem Kalifat-fördernden Islam gegenüberstellend. Dabei lobt er die Gedanken von Ernst-Wolfgang Böckenförde.

11. November 2015

Drehschemelexperiment, Drehimpuls, seine Erhaltung, Präzession, Corioliskraft

Am Samstag in der Schule, da war Tag der offenen Tür. Mich treibt’s immer zur Physik (Bilder auf Anfrage). Gezeigt wurde unter anderen das Experiment mit dem Drehschemel und dem drehenden Rad, das der drauf Sitzende an seiner Achse schwenkt.


Bitte anklicken.                                               Quelle: Wikipedia

Warum? Warum dreht sich der auf einmal?
   Klar: Erhaltung des Drehmoments. Soweit wussten das alle. Allerdings geht’s genaugenommen um den Drehimpuls, gleich unten, einen Pseudovektor.
   Das Drehmoment, bekant vom Hebelgesetz aus der Schule und ab achtzehn vielleicht von Radmuttern, ist zwar zunächst eine skalare Größe (kein Vektor) in mkg, Kraft (hier altmodisch in kg) mal Hebelarm (m). Moderner liest sich das hier etwa so: »Bei Pkw ist meist ein Drehmoment von zwischen 100 und 200 Newtonmeter (Nm) in der technischen Dokumentation spezifiziert.« Für mich wären das griffigere 10 bis 20 mkg, richtiger 10,1972 bis 20,9343 kpm, Kilopondmeter, was aber zuweit und abseits führt.
   Als Vektor gibt’s das Drehmoment auch.
Rechte-Hand-Regel, wieder Wikipedia
   Wenn wir uns die Drehrichtung des Schemels erklären wollen, die beim Schwenken des sich drehenden Rads heraukommt, so müssen wir uns schon einen Vektor anschauen. Es passiert ja im dreidimensionalen Raum Unerhörtes, besser: Unvorhergehenes (sprachliche Bilder sollten stimmen … ).
   Zurück also zum Drehimpuls. Rot im Video ist der Drehimpulsvektor des Rades, nach oben, und der ist ordentlich groß, weil sich das Rad zu Beginn ja schnell dreht. Gelb ist der Drehimpuls des Schemels, und der ist erst einmal Null, weil der Knabe geduldig normal dasitzt.
   Erklärungsversuche, die die resultierenden Drehrichtungen aufzeigen, fand ich wenige – jedenfalls keine einfachen. In der Schule wusste das spontan auch keiner.
    Am besten gefallen hat mir eine Erklärung aus Amerika, hier. Erstmal englisch, dann übertragen.

In the bicycle wheel gyroscope demonstration, there are two possible turning motions. The platform the person stands on turns like a wheel on its side. Call this horizontal turning motion. The other turning motion is the bicycle wheel the person is holding. Initially it is vertical, as a bicycle wheel normally stands. Call this vertical turning motion.
    To begin with, someone spins the bicycle wheel. There is vertical turning motion in the bicycle wheel, but no horizontal turning motion of the platform. Then the person tilts the bicycle wheel to the side, so now there is horizontal turning motion where there wasn’t any before. Conservation of angular momentum tries to fix this. The platform starts spinning in the direction opposite that of the bicycle wheel. If you add the backward turning of the platform and the forward turning of the bike wheel together, you get zero. So horizontal motion is the same as when we started: nothing. When the bike wheel is tilted back vertically, the platform stops spinning, as in the beginning.


   Also:
Im Experiment gibt’s zwei mögliche Drehungen, die des Rades und die vom drehbaren Sitz. Die Drehung des Rades ist zunächst senkrecht, wie beim Fahrrad etwa. Der Sitz kann sich nur waagrecht drehen, tut das aber anfangs nicht. Andere Drehungen sind nicht möglich (sieht man vom kurzzeitigen Kippen ab).
   Kippt man jetzt das drehende Rad, so »teilt« sich dessen Drehbewegung in eine immer größer werdende waagrechte und eine geringer werdende senkrechte Drehbewegung. Die senkrechte »hat Pech gehabt«, die waagrechte Komponente wird ausgeglichen durch die neu entstandene Drehung des Sitzes, damit in Summe waagrecht wieder Null herauskommt.
   Der Sitz dreht sich andersherum als das Rad: Bei sich gegen den Uhrzeiger drehendem Rad (von der linken Hand her gesehen) schwenkt der Sitz nach rechts, also im Uhrzeigersinn. Solange das Rad nicht in die senkrechte Ausgangslage zurückversetzt wird, dreht sich der Sitz weiter.
   Kommt er in die Ursprunglage zurück, oder kann seine Drehung früher oder später enden? Ich meine ja, denn nicht die Lage ist »geschützt«, nur der Drehimpuls.
   Die Menge der bewegten Masse spielt natürlich auch eine große Rolle (besonders bei diesen Herren im Bild). Da gleicht schon ein wenig Schemeldrehung viel Raddrehung aus. 

Damit wäre die Sache wohl geklärt. Es geht aber auch umständlicher.
   Eine erste Erklärung findet man bei der Präzession: »Wenn beim rotierenden Kreisel versucht wird, seine Rotationsachse zu kippen, dann zeigt sich eine Kraftwirkung senkrecht zur Kipprichtung der Rotationsachse.«
   Das Rad unten in Fig. 20-2 dreht sich senkrecht. Der Vektor des Drehimpulses zeigt (nach der Rechte-Hand-Regel) waagdrecht nach links (vom Sitzenden her gesehen). Schwenkt er das Rad nach rechts (rechts hinunter), so zeigt der Drehimpulsvektor schräg links nach oben – und schiebt den Sitz nach rechts an, bis die Sitzdrehung die waagrechte Komponente der Raddrehung ausgleicht.
   Der aus zwei Drehungen resultierende Drehimpuls ist (meine ich) ein Kreuzprodukt. Usw.

Hier genauer und anschaulicher, aber halt englisch:


Fig. 20–1.Before: axis is horizontal; moment about vertical axis = 0.
                After: axis is vertical; momentum about vertical axis is still zero; 

                          man and chair spin in direction opposite to spin of the wheel. 
Let us now return to the law of conservation of angular momentum. This law may be demonstrated with a rapidly spinning wheel, or gyroscope, as follows (see Fig. 20–1). If we sit on a swivel chair and hold the spinning wheel with its axis horizontal, the wheel has an angular momentum about the horizontal axis. Angular momentum around a vertical axis cannot change because of the (frictionless) pivot of the chair, so if we turn the axis of the wheel into the vertical, then the wheel would have angular momentum about the vertical axis, because it is now spinning about this axis. But the system (wheel, ourself, and chair) cannot have a vertical component, so we and the chair have to turn in the direction opposite to the spin of the wheel, to balance it.

First let us analyze in more detail the thing we have just described. What is surprising, and what we must understand, is the origin of the forces which turn us and the chair around as we turn the axis of the gyroscope toward the vertical. Figure 20–2 shows the wheel spinning rapidly about the y-axis. Therefore its angular velocity is about that axis and, it turns out, its angular momentum is likewise in that direction. Now suppose that we wish to rotate the wheel about the x-axis at a small angular velocity Ω; what forces are required? After a short time Δt, the axis has turned to a new position, tilted at an angle Δθ with the horizontal. Since the major part of the angular momentum is due to the spin on the axis (very little is contributed by the slow turning), we see that the angular momentum vector has changed. What is the change in angular momentum? The angular momentum does not change in magnitude, but it does change in direction by an amount Δθ. The magnitude of the vector ΔL is thus ΔL=L0Δθ, so that the torque, which is the time rate of change of the angular momentum, is τ=ΔL/Δt=L0Δθ/Δt=L0Ω. Taking the directions of the various quantities into account, we see that
                                                             τ=Ω×L0.                                                                  (20.15)
Thus, if Ω and L0 are both horizontal, as shown in the figure, τ is vertical. To produce such a torque, horizontal forces F and −F must be applied at the ends of the axle. How are these forces applied? By our hands, as we try to rotate the axis of the wheel into the vertical direction. But Newton’s Third Law demands that equal and opposite forces (and equal and opposite torques) act on us. This causes us to rotate in the opposite sense about the vertical axis z. 
Links:
• ETH: Grosser kardanischer Kreisel auf Drehschemel
Corioliskraft

• Link hierher (zum Weitegeben):
http://blogabissl.blogspot.com/2015/11/drehschemelexperiment-drehimpuls-seine.html

Warum, Papa, fragst du warum?

Zugabe:
Quelle

Noch eine Zugabe: »Teufelsrad« – Wikipedia – Oltoberfest
Und noch was Schönes, gibt’s auch für Smartphones als »Deckel«.
Paolo Čerić
 

3. November 2015

Flüchtlinge, statistisch

Aus dem genannten Spiegel-Artikel
Ich will mir ein paar Fakten zusammensuchen, obwohl sie von der aktuellen Entwicklung buchstäblich überrant werden.
   Gemeinhin werden die Ausländer, die hilfesuchend über die deutschen Grenzen strömen, als »Flüchtlinge« bezeichnet (amtlich auch »Zuwanderungsgeschehen«). Zu »anerkannten Flüchtlingen« werden »Asylsucher« aber ert nach einem langen Prozess. So waren am 31. August 2015 laut Spiegel 300.000 Asylanträge  »anhängig«, das heißt mehr oder weniger in Arbeit. Im September sollen rund 23.000 Asylanträge bearbeitet worden sein, wobei 38 Prozent der Antragsteller als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Daraus lässt sich leicht eine zeitliche Prognose für die »hängigen« Verfahren ableiten. Schon jetzt dauern die Verfahren rund ein Jahr (Quelle).
Herkunftsländer. Quelle Wikipedia. Grafik klickbar!
   Genaueres liest sich bei der Wikipedia so: »Asylberechtigte nach Art. 16a GG erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG, anerkannte Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alt. 1 AufenthG. Ausländern, denen subsidiärer Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylG) gewährt wird, erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG. Werden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt, erhalten die Personen in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3. Letztere erhielten bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 vielfach nur eine Duldung
   Dazu kommen meines Erachtens EU-Binnenmigranten (2014 mehr als Flüchtlinge von außerhalb, 2012 58%, 2013), die hier frei einreisen, dazu kommen unregistrierte Einwanderer, die hier ohne Papiere leben. Jede Statistik erfasst nur Teile.
   Der Spiegel beruft sich auf das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge, das hier veröffentlicht.
   Eine klare Darstellung bringt Baden-Württemberg hier. In Bayern ist das »Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration« für Flüchtlinge zuständig, da mag man hier weitersuchen. Die Bundesregierung ist meines Erachtens überhaupt nicht für Asylanten zuständig, außer dass sie dazu Meinungen äußert (»Wir stemmen das«) und Geld gibt. Aufnehmen tun die Flüchtlinge die Kommunen. Ein Binnendurcheinander, das zu Streit führt, etwa in der Welt nachzulesen.
   Zu Abschiebungen und Zurückschiebungen gibt es eine Bundestagsdrucksache vom Februar 2015 hier: »Im Jahr 2014 wurden insgesamt 8557 Abschiebungen auf dem Luftweg vollzogen.«. Interessant ist dort auch die Statistik über »Zurückweisungen. Zurückschiebungen und Abschiebungen« (Statistik endet 2006).
   Das erst einmal zu amtlichen Statistiken.
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Link hierher:
http://blogabissl.blogspot.com/2015/11/fluchtlinge-statistisch.html

Selbstmord


Max Klinger: Die Toteninsel (Radierung, 1890), Wikipedia
Nach katholischer Auffassung ist Selbstmord eine Todsünde. Da steht klar: »Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen«.
   »Du sollst nicht töten«, das gilt im ganzen Christentum. Auch sich selbst darf man nicht umbringen; das fünfte Gebot macht da keine Ausnahme. Im Islam ist der Selbstmord streng verboten, mehr dazu hier, besonders über die Ausnahmen.
   Ein unerklärlicher Selbstmord in unserer Familie, den ich vor Jahren erlebte, war – für mich klar – eine Sauerei, gegen Frau und Kinder, gegen die Freundin, die Verwandten, besonders gegen die Eltern. Gesagt hat das keiner, in der Trauer. Ich aber, familiär etwas ferner, kann’s selbst bis jetzt nicht anders einschätzen. Sowas tut man nicht.
   Inzwischen behandeln das Thema schon populäre Internet-Ratgeber, die sonst vielleicht Fleckenentfernen thematisieren, »Gutefrage« zum Beispiel, insbesonders im Spannungsfeld zwischen religiöser, gesellschaftlicher und teils entgegengesetzter gesetzlicher Auffassung.

Gesetzlich ist Selbstmord erlaubt: »Der Suizidversuch ist in Deutschland als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts straffrei, dies gilt grundsätzlich auch für die Teilnahme, also Anstiftung oder Beihilfe, nicht aber die Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB)« (Wikipedia).
   Man darf sich mit einer Pistole umbringen, sogar mithilfe eines Freundes, der einem das Ding (illegal?) besorgt. Schießen darf der aber nicht, dazu muss man (noch) selbst in der Lage sein. Warum? Wohl weil sonst der wirklich letzte Wille des Subjekts nicht nachweisbar bliebe, weil es hätte Mord sein können. (Ein kurioser Fall ist der Siriusfall aus dem Jahr 1980.)
   Zwischen Beihilfe und Tötung auf Verlangen macht das Recht einen großen Unterschied. Beihilfe darf sein, auch in Deutschland, Tötung auf Wunsch aber nicht – außer es werden »nur« lebenserhaltende Maßnahmen abgeschaltet, typischerweise von anderen, dann ist das wiederum erlaubt.
   Für mich ist’s ein Durcheinander, das hier entsteht, ein Hin und Her, weil der Staat zutiefst moralische, weltanschauliche Auffassungen zu regeln versucht, und sich gerne auf die Zustimmung einer Mehrheit beruft. Doch greift bei so Grundsätzlichem nicht viel mehr Naturrecht als Demokratie? Der res publica könnte es inzwischen eigentlich egal sein, ob einer früher strirbt …
   Dazu kommt, dass der Tod ein sehr individuelles Erlebnis ist. Da besteht die Gefahr, dass das Gesetz versucht, ihn allgemein zu regeln, dass wir über immer speziellere Todesfälle diskutieren, und die Einzigartigkeit, das Mehr-als-Epochale für das Individuum ignorieren. Trivial stellt sich die Frage: Ist das wie bei Geschwindigkeitsbegrenzungen? Ist keine angezeigt, so darf man beliebig schnell fahren, auch über 250 Stundenkilometer. Ist alles erlaubt, was nicht verboten ist?  
   Es gilt das Argument, was einem selbst erlaubt ist, sei noch lange nicht einem anderen gestattet. Im FAZ-Artikel vom 25. Juni 2015 »Es gibt kein gutes Töten!« schreibt Professor Dr. Christian Hillgruber aus Bonn: »Der Staat muss verhindern, dass Private, seien es Angehörige, Ärzte oder Dritte, andere Menschen auf Verlangen töten. Tragender Grund dafür ist die das Fundament der staatlichen Schutzpflicht für das Leben bildende Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). ›Die Würde des Menschen ist unantastbar‹ heißt, dass das Leben eines Menschen niemals und von niemandem rechtmäßig mit der Begründung ausgelöscht werden darf, es sei nicht mehr wert, gelebt zu werden.« – »Lasst die Finger davon!« mahnt am 1.11. ein FAZ-Gastbeitrag zur Suizidbeihilfe von Thomas Sören Hoffmann.
   Ein Gesetzentwurf (Sensburg-Dörflinger-Entwurf) für einem neuen Paragraphen 217 des Strafgesetzbuches will diese heutige Rechtslage stärken, und vor allem keine Ausnahmen zulassen. Das ist nur konsequent.
   Meines Erachtens wäre es für den Staat, dem jeder Bürger gleich wertvoll sein müsste, auch nur konsequent, Selbstmord ebenfalls zu verbieten.
   Zur Argumentation mit der »Würde des Meschen« aus dem schönen ersten Kapitel des Grundgesetzes: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.«, sie krankt meines Erachtens am edlen, aber unscharfen Begriff der »Würde«. Ist ein Dementer »würdevoll«? Wäre nicht (weniger salbungsvoll) das Leben des Menschen zu achten und zu schützen? Wie auch immer: Ob Würde oder Leben, beides müsste für alle gelten, den Beteiligten eingeschlossen. Oder ist eine noch höhere Würde die Selbstbestimmung, inklusive der Selbsttötung? (So bezeichnet der Entwurf den Suizid, den ich hier altmodisch – ohne Beigeschmack – Selbstmord zu nennen mir gestatte.)
   Das Thema ist recht aktuell und nicht einfach so kurz abzuhandeln. Dazu gibt es ganze Bücher, von diesem bis zu jenem … und viele Vorträge, etwa den von Prof. Lübbe über Palliativmedizin (knapp dreißig Minuten). Am Tod sind viele interessiert.
   (Das Morden in Konflikten und Kriegen, Bomben, Drohnen, Attentate, bleibt seltsam unumstritten.)

Aus moralischer Sicht finde ich den mir neuen Ansatz des Theologen Hans Küng sehr interessant. Der Spiegel zitiert ihn 2013 mit den Worten: »Der Mensch hat ein Recht zu sterben, wenn er keine Hoffnung mehr sieht auf ein nach seinem ureigenen Verständnis humanes Weiterleben«. »Dass ich schließlich auch noch ein Leben auf vegetativem Niveau zu akzeptieren hätte, lasse ich mir von niemandem als Wille Gottes für mich einreden. Auch möchte ich gerade als Christ nicht, dass man dies anderen Betroffenen einredet«, soll er laut Hans-Martin Schönherr-Mann im Deutschlandfunk zu Anne Will gesagt haben. »Dabei bin auch ich der Überzeugung, der festen Überzeugung, dass das Leben Gnade Gottes ist. Es ist mir geschenkt. Ich habe es nicht selber erworben. Das ist mir als gläubigem Menschen, durch die Eltern von Gott geschenkt. Aber das heißt, dieses Gnadengeschenk bedeutet für mich auch Verantwortung. Das sagt übrigens auch der Katechismus. Wir haben alle eine Verantwortung für unser Leben. Und warum soll die in der letzten Phase aufhören, diese Verantwortung? Die ist für mich auch in der letzten Phase da. Die kann ich dann auch wahrnehmen.« – Für Christen nimmt Küng damit den Selbstmord aus der Angst vor der Hölle heraus, er entspannt ihn. Mir ist, also ginge Küng gerne erhobenen Hauptes »hinüber« – eine schöne, gnädige Vorstellung.

Die aktuelle Diskussion in der Gesetzgebung
   Darauf gehe ich nicht ein, verweise auf eine Übersicht der Deutschen Welle: »Vier Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe«. (Ein fünfter kam später dazu.)
1. Verbot jeder kommerziellen, »gewerbsmäßigen« Suizidbeihilfe (Brand-Griese u.v.a.).
2. Ärzte sollen unheilbar Kranken beim Suizid helfen dürfen.
3. Verbot nur für gewinnorientierte Sterbehilfe – »selbstlose« Vereine und Ärzte sollen beim Suizid assistieren und Kostenerstattung erhalten dürfen.
4. Totalverbot jeder assistierter Suizidbeihilfe.
   Inzwischen ist am 6. 11. 15 die Entscheidung gefallen, siehe Wikipedia, weitere Einzelheiten wieder bei der Deutschen Welle. Mit 360 von 602 Stimmen wurde der Brand-Griese-Antrag (hier oben der erste) angenommen: 

„§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die
Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger
des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.“ (Quelle)
   Die Bewertungen sind meist positiv, dagegen ist etwa dieser von Bartholomäus Grill. Hier der Bericht der NZZ.
   Persönlich finde ich das alles gut gemeint, allerdings unscharf (»gewerbsmäßig«?) und inkonsequent. Warum soll man sich nicht von Profis umbringen lassen, wenn’s einem schon »gutes Recht« ist? Den Staat geht das nichts an, mein’ ich. Polemisch: Meist verlangt der Staat Profis – z. B. bei Elektroinstallation …

 ·
 Hans Küng. Selbstbestimmtes Sterben und Glauben
 ·
Joseph Croitoru: Todesverachtung als Waffe
 ·
WDR-Sendung zum Sterben: Wie man lebt, so stirbt man
 ·
 NZZ Begleiteter Freitod, »Es ist Zeit für eine bessere Lösung«
·
Link hierher:
http://blogabissl.blogspot.com/2015/11/selbstmord.html

1. November 2015

Scheitelpunkt und Normalparabel

Innenansicht des Fakultätsgebäudes für Mathematik und Informatik der Technischen Universität München in Garching. Die Parabelrutsche stammt von Brunner/Ritz. (Wikipedia)
Unlängst bei der Hausaufgabenhilfe. Es ging um quadratische Gleichungen (das sind die mit einem x²) und Parabeln (schönen Kurven). Morgen war Mathearbeit, Eile geboten, Hast herausgekommen.

Scheitelpunkt

»Bestimme den Scheitelpunkt« war gefordert. Ja, was ist denn der Scheitelpunkt? Zeig’ mir das bitte im Heft, Kind, oder im Buch. Ich dachte an den Lenkeinschlag beim Auffahren auf die Autobahn, der am Scheitelpunkt wieder weniger wird, zurückdreht, also die erste Ableitung der Kurve, die da durch Null geht, oder? Zu kompliziert, außerdem gewiss »noch nicht gehabt«.
   Im Buch (»Elemente der Mathematik«, 9. Schuljahr) gibt’s nicht wie früher irgendwo einen Kasten, in dem die Definition steht. Zuerst tritt der Scheitelpunkt auf Seite 52 bei den »Eigenschaften der Normalparabel« auf, versteckt in einer »Lösung: a) Von links nach rechts fällt die Normalparabel im 2. Quadranten (geht bergab). An der Stelle 0 hat sie ihren tiefsten Punkt (Scheitelpunkt), in dem sie die x-Achse berührt. … «
   Falsch ist das nicht, nur verwirrend. Gibt’s den Scheitelpunkt nur bei der Normalparabel (y = x²), und ist der Scheitelpunkt immer der tiefste, oder immer der Punkt auf der Symmetrieachse? Wer weiß?
   Auf der nächsten Seite geht’s so weiter. Der Scheitelpunkt kommt nur bei der Normalparabel vor, wieder als einziger Punkt, der auf der Symmetrieachse liegt. Man nennt ihn auch kurz »Scheitel«, das lernt man da dazu.
   Auf die Idee, dass es Scheitelpunkte auch in anderen Parabeln gibt, sogar recht allgemein in Kurven, kommt keiner. Eine saubere Definition findet man erst in der Wikipedia: »Die Scheitelpunkte eines Kegelschnitts (Ellipse, Parabel oder Hyperbel) sind die Schnittpunkte der Kurve mit den Symmetrieachsen. Sie sind gleichzeitig die Punkte, an denen die Krümmung maximal oder minimal ist.«
   (Die Geschichte mit der ersten Ableitung steht hier: y = x²; y' = 2x. Scheitel bei y' = 0.)

Lösung quadratischer Gleichungen

Es geht dann im Buch bis zu Seite 94 weiter mit Parabeln, sehr ausführlich und intensiv. Erst dann wird’s wirklich rechnerisch: »Lösen quadratischer Gleichungen«. Ich hatte meiner Schülerin – ohne ins Heft oder Buch zu gucken – einfach hingeschrieben:
5 x² + 3 x - 8 = 0
»Rechen mal aus!« Als sie zögerte, fragte ich nach ihrer Formelsammlung. Wir hatten damals eine dünne, zugelassene Formelsammlung (und natürlich keine Taschenrechner). Das gibt’s heute nicht. »Wie habt ihr denn das gelernt?«, fragte ich, und dachte an die »Lösungsformel für die allgemeine quadratische Gleichung (a-b-c-Formel)« für ax² + bx + c = 0:
Dazu schreibt die Wikipedia weiter: »Die Formel wird in Teilen Deutschlands umgangssprachlich als ›Mitternachtsformel‹ bezeichnet, weil Schüler sie auswendig kennen sollen, selbst wenn man sie um Mitternacht weckt. In Österreich ist der Ausdruck große Lösungsformel gebräuchlich.«
   So machen die das heutzutage nicht, sondern mit der quadratischen Ergänzung. So auch der Rechner von »Mathepower« im Internet:
Ob das einfacher ist als mit der »Mitternachtsformel«, schneller? Statt der Standardformel (aus Formelsammlung und oder Gedächtnis) muss man wissen, dass man die Hälfte des x-Multiplikators quadratisch ergänzen muss, hier ½·0,6.
   In der Lebenspraxis wird man weder die generelle Formel noch den Ergänzungsterm mehr wissen, und sich’s gleich über das Netz lösen lassen. Einen ähnlichen Gedankengang hatte ich schon einmal beim Cosinussatz: Wo man sich doch den Cosinus aus der Maschine holt, kann man sich das ganze Dreiecksrechnen »outsourcen«. Wie hier die quadratische Gleichung. Ein Wissens- oder gar Kompetenzverlust wär’s nicht.
   Oder man macht’s wir die Amerikaner. Die schwören auf ihren auswendig gelernten Unit Circle (Einheitskreis).
The unit circle, showing coordinates of certain pointshttps://de.wikipedia.org/wiki/Einheitskreis
Das war das Beste, was meine große Tochter vor Jahren aus Amerika zurückgebracht hatte: den auswendig gelernten Einheitskreis. Sogar später in ihrem Studium zum Wirtschaftsingenieur FH hat der gereicht, sagt sie. Aber in Amerika scheint Lernen anders zu sein. Hier lernt man, Sinus- und Cosinuskuren zu zeichnen:


Deutsch ist das viel ernster

Link hierher zum Weitergeben:
http://blogabissl.blogspot.com/2015/11/scheitelpunkt-und-normalparabel.html

The essence of mathematics is not to make simple things complicated,
but to make complicated things simple.
” Stanley Gudder, z. B. hier

Weitere Themen bei mir:
   Drehschemelexperiment 
   Online-Mathematik
   Mit dem Rechner würfeln
   Kosinussatz