30. September 2012

Kirchenaustritt und Kirchensteuer

Gestern, am Samstag, nach einer langen, schönen Wanderung »durch Gottes freie Natur«, noch schnell in die Sonnabend-Messe. Ein Zettel lag aus, der zwei Seiten lang ziemlich inkohärent über die Kirchensteuerentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herzog (Bild: »Die Oberen der katholischen Kirche jubeln»); ich meine, es war der Spiegel-Text, raubkopiert, und freilich ohne Impressum. Die Predigt drehte sich ebenfalls um die Frage: »Wer ist drin, wer nicht?« Angeblich liebt seit dem Vatikanum der liebe Gott noch viel mehr Menschen als früher, nur die deutschen Bischöfe und Rom haben’s noch nicht erkannt. Klare Worte wurden, wie immer, nicht gepredigt. Statt aktuell herumzueiern möge man sich doch lieber biblischer Themen annehmen.
Nicht nur den »gestrengen« Katholiken laufen die Leute weg.
   Ich sehe die katholische Kirche in ihrer deutschen Institution wie einen Verein an. Motto: Sehen wir das mal ganz einfach. Dieser Verein hat seine Regeln, und danach richtet sich der Mitgliedsbeitrag. Demokratisch ist dieser Verein nicht, aber – im Gegensatz zum Staat – man kann wenigstens austreten. Tritt man aus, so darf man die Dienste der Kirche nicht mehr in Anspruch nehmen, jedenfalls nicht offiziell. Das ist bei den Protestanten genauso. Geprüft wird an den Kirchentüren nicht, auch nicht zur Kommunion. Möge also jeder nach seinem eigenen Gewissen trotzdem in die Kirche gehen, trotz formalem Austritt, und bitte nicht die Gerichte in Anspruch nehmen mit seinem Gefühl weiterer (kostenloser) Zugehörigkeit. Sportlich kann man auch außerhalb des Sportvereins sein.
  Was aber nun mit denen, denen die Kirche die Beichte (genauer die Lossprechung), die Kommunion und anderes verweigert, weil sie geschieden und wiederverheitratet sind? Auch sie, meine ich, sollten ihrem Gewissen folgen. Und das tun sie doch in der Regel auch. Sie zahlen weiter Kirchensteuer, gehen weiter zur Kommunion, vielleicht zur Beichte, ohne ihren prekären Status zu beichten, den sie nicht als Sünde ansehen. Allerdings: Zur Beichte gehen ohnehin die wenigsten. Die Kirche sollte sich mal um die kümmern, die entgegen ihrer Regeln mit schweren Sünden kommunizieren! Von mir aus mögen die, die die Kirche ausschließt, austreten, nach dem Motto: Wenn die uns nicht mögen, zahlen wir auch nichts.
   So einfach sehe ich das.
   Trotz all der gehässigen Kommentare, siehe z. B. unter dem Spiegel-Kommentar, der schon selbst höchst polemisch ist. Aber bitte.
   Das Bundesverwaltungsgericht sieht alles natürlich viel genauer, sagt’s in seiner Pressemitteilung vom 26. 9. 2012 trotzdem erst einmal klar und deutlich: »Wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, kann seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.« Erst dann wird’s kompiziert: »Weil das Erzbistum einen solchen Zusatz nach der einschlägigen Bestimmung des Kirchensteuergesetzes Baden-Württemberg für unzulässig hielt, hat es beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage gegen die Bescheinigung erhoben, durch die das Standesamt dem Beigeladenen den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft bestätigt hat. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Erzbistums hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim der Klage stattgegeben und die Bescheinigung aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beigeladenen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt.« Die Hervorhebungen sind von mir: Erst war Hartmut Zapp samt Zusatz augetreten (Klage Bistum gg. Zapp abgewiesen), dann (Berufung des Bistums) nicht, und jetzt (Zapps Revision) ist er doch ganz und gar ausgeschieden. Alles bleibt beim Alten, egal was Hartmut Zapp dazuschreibt, weil er in der Kirche bleiben wollte, nur ohne Kirchensteuer. Das geht nicht. Da kann er hinschreiben, was er mag. Er ist draußen.

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