28. Mai 2008

Am Hof im Mai 2008

Anna und Carla laufen vor – Montagmittag, zurück vom Dorf
[Foto HofMai (94) – Wie immer sind alle Bilder klickbar!]
Da war doch diese verflixte Woche, in der die Münsterschule, und nur die Bonner Münsterschule allein eine Woche »Zwischenferien« machte, mitten im Wonnemonat Mai. Mit dem Ergebnis, dass die Kinder in diesem Mai 2008 nur 13 Tage Schule haben – Pisa lässt grüßen – und die Eltern sich überlegen müssen, was sie mit den Kindern anstellen.
Ich entschloss mich, mit Carla nach Südtirol auf den Hof zu fahren. Mama bleibt zu Hause und arbeitet – bis auf Fronleichnam, ein Feiertag in Deutschland und sonst nirgends, wieder einmal: Deutsches Volk, Wohlfühl-Volk.
Wie ich nun so versuchte, für diese Woche möglichst noch eine Mutter mit Kind mitzunehmen, so zeigte sich das schwierig. Eben weil die anderen Eltern von anderen Schulen zu anderen Zeiten Ferien haben. Ein allzuspäter Versuch, meinen alten Schulfreund Elmar mitzunehmen, blieb halbherzig – der Umweg – er lebt an der Weinstraße –, die Umstände, und dann war mir eine kleine Freundin für Carla doch bequemer als ein Freund für mich. Kinder neutralisieren einander.
Carla hatte noch eine Ballett-»Aufführung« am Samstag. So konnte ich erst am Sonntag losfahren. Die Wettervorhersage im Internet war schlecht. Von so weit weg, aus einem heißen Sommer heraus, war mir das abstrakt geblieben. Nach Südtirol sind es über achthundert Kilometer. Halb Deutschland, Österreich und die Alpen liegen dazwischen.
Also kam neben Carla nur Anna mit, eine Zweitklässlerin, gut fortgeschritten im Lesen und Schreiben. Das Auto war voll, hauptsächlich wegen Carlas Spielsachen, Plastiktüten mit Plastik, und meiner vielen unnützen Technik in Klappkiste, die ich immer hin- und herfahre.

Sonntag, 18. Mai 2008 Bonn—Siebenfahrer

Beim Abschied hielt sich Anna tapfer [18. 5. 2008 8.30 Uhr km 206553 ab Friedrichstraße, 9 Uhr ab Estermannstraße]. Die Eltern hatten sie mit Diphenhydramin gedopt, gegen Mal des Transports, und meinten, sie würde nun vielleicht die ganze Zeit schlafen. Die Wirkung blieb aus, die Übelkeit auch, selbst zügig gefahrene Gebirgsstraßen Stunden später waren kein Problem.
Zur Abfahrt war das Wetter angenehm bedeckt, nicht zu heiß, 13 Grad. Ich ließ es langsam angehen, höchstens 170 Stundenkilometer. In der Mainebene klarte es auf, Gefühl: Sonne und Süden entgegen! Offenbach 10.40 Uhr, 17,5 Grad. Deutschland, schönes, weites Land. Franken. Staus keine. Gegen eins waren wir in Hilpoldstein, meiner seit Jahren üblichen Rast, Sindsorfer Hof, das Gasthaus aber leider in Ferien. Also haben wir Picknick gemacht am See, im Rasthaus Jörn, wie ich den Kindern sagte (Gisela hatte uns bestens versorgt. Ich habe dann schnell doch noch für zwanzig Euro deutsch getankt, den Liter Normalbenzin für Euro 1,54. Das war zu viel. Wenn ich nicht zu schnell fahre, komme ich von Bonn bis nach Österreich mit einem Tank.
In Bayern hat es angefangen zu regnen (Teistrecke elektronisch festgehalten). Um viertel vor vier waren wir im Inntal, verregnet, die Berge in Wolken, dazwischen Flecken frischen Schnees oder schmutzige Altschneereste. Wie gewohnt in Angath an der Autobahn vollgetankt. Der Liter Super Euro 1,40, dazu Maut und Videomaut für den Brenner, Euro 99,71, danke, es bediente Sie Jelena [54,33 Liter = € 76,01, Zehn-Tage-Vignette € 7,70, Brennermaut für zwei Fahrten € 16]. Um viertel nach fünf am Brenner, 7 Grad.
Doch es sollte noch strenger kommen: Die Kinder müssen doch lernen, wie es oben in den Wolken aussieht. Vorher haben wir aber noch schnell auf 1500 Metern am »Egg« in der Kehre der Penser-Joch-Straße, im ganz leeren Gasthaus Schönblick – reiner Euphemismus! – Pause gemacht. Der angekündigte Apfelstrudel war ausverkauft. Ob es den je gegeben hat? Dafür der Kaffee (nach der Frage, ob die Maschine unter Dampf sei) gut: ein erster Macchiato.
Und hinauf gings aufs Joch; Kinderfotos mit Schneewehen, Regen und drei Grad, wenigstens plus. Da war es schon halb sieben.
Im Sarntal heftiger Regen, eine Talfer, so wild und hoch und braun, wie ich sie seit Urzeiten (vor dem Kraftwerksbau) nicht mehr gesehen habe. Das graue Wasser schoss nur so ins Tal, Welle um wilde Welle. Hat mich an diese Zeit erinnert, vor 1950, als man bei Gewitter im Bach die Wackersteine rumpeln und pumpeln hörte, selbst oben am Hof noch.
Bis wir dann am Hof waren, war es Viertel nach sieben, zehn Grad [km 207391 = 838 km]. Wir haben uns mehr oder weniger »verkrochen«. Auch die Pächter waren schon zu Bett und zeigten sich nicht. Dafür hatten wir um so mehr Zeit, auszupacken – Kinder, lauft mich nicht aus und ein mit den nassen Schuhen! –, sogar Betten zu überziehen. Die Mädels sind ganz tüchtig. Kurz entschlossen belegten wir nur Stube und ein gemeinsames Schlafzimmer. Da hält sich die Wärme »in Grenzen«.
Zum Abendessen gab es noch Nudeln (vom Hofvorrat) mit Tomatensauce (ebenfalls), dazu Obst (mitgebracht) und belegte Brote (verweigert von den Kindern, von mir das letzte zum Montagsfrühstück aufgehoben).
Geschlafen haben wir wunderbar.
Montag früh dann 11Grad draußen, 15Grad drin, Sonnenaufgang wie gewohnt 8.42 Uhr – und Wiederuntergang zehn Minuten später, allerdings Gott sei Dank nicht für den ganzen Tag.

Montag, 19. Mai 2008 – Sarnthein

Müsli mögen die Damen nicht. Also nichts. Die beiden essen überhaupt wenig, fallen dennoch nicht vom Fleische.
Ich hatte mich mit Albert, unserem Jagdaufseher, Faktotum und Holzarbeiter fürs Kleinere, um viertel vor neun am Gries verabredet, bei der Bar Kröss.
Wen traf ich dort? Karl, den Freund meiner Schwester. Da war mir klar, dass Albert noch eine Runde drehen würde. Mit Karl Freundlichkeiten gewechselt, über meine Eltern gesprochen.
Im Bild Anna und Carla auf der neuen Talferbrücke im Dorf. Kein Brückenheiliger wie auf der alten Brücke übrigens [HofMai (78)]
Dann auch mit Albert nur kurz geredet. Wir wollten uns ja alle am Abend treffen. Klar ist, dass es im oberen Jagdbereich zwei Konflikte gibt: Wildverbiss und Straßenverkehr, ersteres vielleicht zum Teil Ursache des letzteren. Ich kann das nicht beurteilen.
Vom Markt, der so viele Bauern ins Dorf geführt hatte, dass selbst auf der zusätzlichen Wiese nur schwer ein Parkplatz zu finden war, haben wir wenig mitbekommen. Bei der Bank erfahren, dass der it. Staat den persönlichen Umgang mit Geld weiter einschränkt: Barschecks oder Barzahlungen über 5.000 Euro sind verboten, ungültig. Der Staat will elektronisch verfolgen, was man mit »seinem« Geld macht. Angewandte Expropriation der Expropriateure?
Besuch am Grab der Großeltern beziehungsweise Urgroßeltern. Es sieht ganz ordentlich aus.
Lange zum Forstamt, wo die Förster immer montags »Innendienst« haben. Pläne gemacht für die Auszeige im Sommer – am besten in der Woche des 21. Juli. Dr. Broll ist die Stufe hinaufgefallen und nicht mehr für uns zuständig. Wegen der hängigen Italienerwegverlängerungssubvention sollten wir Dr. Mathias Zischg anrufen, 0471-415360.
Die Kinder spielen derweilen einen Stock tiefer in der Bibliothek. Dann Brot einkaufen. Schließlich gab es beim Höllriegel die traditionelle Milzschnittensuppe für Carla, eine »Nudelsuppe mit Würstel« (zwei Stück) für Anna und für mich eine Knödelsuppe. Zum Schluss musste ich wieder die Hälfte des Kinderessens kalt verzehren … Immerhin hatten wir draußen unter den Bäumen sitzen können statt in den überfüllten Wirtsstuben. Die Temperatur hat’s gerade so erlaubt.
Vor dem Wegfahren in der Mittagspause noch zum Despar, dem örtlichen Supermarkt. Kurzes Gespräch mit einer Lehrerin an der Schule dort, die wohl gegen eins gerade aus hatte: Italienisch als erste Fremdsprache wird ab der ersten Klasse gelehrt. Auch am Samstag ist Unterricht. Die Sommerferien sind (wie immer schon) sehr lang, 15. Juni bis 9. September, über drei Monate.
Am Nachmittag blieben wir am Hof. Albert kam, und wir zwei besichtigen seine Durchforstung auf der Ebenwies. Eine schöne, große Sache. Man sieht endlich wieder die alten »vorgeschichtlichen« Mauern um die Wiese, blickt durch die Bäume. Dann überrascht uns ein Gewitter samt leichtem Hagel. Ich funke den Kindern zum Hof hinunter, sie mögen uns doch abholen. Bis sie da sind, sind wir patschnass. Leider gibt mein Fotoapparat, wohl wegen dem Wasser, seinen Geist auf. Das letzte Foto sind Hagelkörner [HofMai (114)]. Selbst das Festnetztelefon verstummt.
Abends Abendessen mit Albert und Linda beim Hofer im Dorf, gute Pizzen, gute Gespräche, danach Regen. Verkriechen im Bett.

Dienstag, 20. Mai – Bozen

Am Dienstag hatte ich gleich um neun in Bozen einen Termin bei unserem Steuerberater Heiss. Wir haben es fast rechtzeitig geschafft. Unser Verwalter, der sich auf einen Sprung freigenommen hatte, war auch dabei. Wir müssen unsere Gesellschaftsstruktur hier auf aktuellen Stand bringen, haben uns das Nötige dazu erklären lassen. Problem ist wieder einmal die Unterschrift meiner Mutter.
Danach bei schönem Wetter und angenehmen Temperaturen ein Bummel durch Bozen nach meiner Art, Gerbergasse, Zwölfmalgrein samt Daniel in der Löwengrube, und ein Kaffee mit Helmut. Schick im hellen Anzug, braungebrannt, voller Tatendrang. Er lässt sich allerdings zu Ende des Jahres pensionieren. Fachsimpeln über Wi-Max-Funkversorgung der Dörfer mit einer reservierten Frequenz über 3 GHz. Zu hoch, meine ich.
   In der Bindergasse noch ausgiebig mit Anna und Carla das Landesmuseum (vormals Eichamt) besucht, immer ein Erlebnis. Diesmal statt echten Schlangen ausgestopfte Tiere. Oben sehr schön und modern die Landeskunde, samt selbst steuerbarem Satellitenflug über Südtirol. Ein Mustermuseum. Jetzt für die Kinder und mich eine Frakturprüfung (Anna kann’s ein wenig):
Die Jahreszahl im Spruch zur Bindergasse am Weißen Rössl (angeblich 1919 gemalt) als Chronogramm zu errechnen versucht.
Ich heiße Bindergasse –
Der Schlägel hier erklang
An Zuber, Yhr und Fasse
Gar gute Jahre lang.
I C I I D D C L L I L U U D U I L = 1 +100 +1 +1 +10 +10 +100 +50 +50 +1 +50 +5 +5 +10 +5 +1 +50 = 450 Jahre lang also. [Mein Bild aus Bilder\2006HofPfingsten\BindergasseFresko bezw. Picasa-verstärkt 200805\BindergasseFreskom – bitte klicken!]
Zum Yhr muss ich nachtragen, dass das eben kein Ohr ist, schon gar nicht eine Uhr! Historiker Hannes Obermair aus Bozen hat mich dazu wieder einmal prompt aufgeklärt: »Es ist eindeutig ›Yhr‹ im Sinne des alten Hohlmaßes für Wein.« Rund sechzig Liter.
Im Mondschein gegenüber der alten Stube – wie immer geschlossen – eine nette, kleine Bilderausstellung. Die Künstlerin war anwesend.
Am Nachmittag am Hof versuche ich vergebens, die Entmistung zu reparieren. Irgendetwas an der elektrischen Ansteuerung muss nicht richtig funktionieren.
Wir sind dann noch mit dem Auto zum Nachbarn Haselbrunn gefahren, Kinder besuchen. Der alte Vater ist im Krankenhaus, muss wohl einen Herzschrittmacher bekommen. Den Rückweg haben die Kinder schnell zu Fuß gemacht, allerdings sicherheitshalber die aktuelle Straße entlang bis zur Ebenwies. Ich rolle mit dem Wagen nach.
Abends waren wir nett bei den Pächtern eingeladen. Es gab heiße Kartoffeln, Speck und selbstgemachten Käse. Die Kinder lernten’s Kartoffelschälen, gingen dann alleine ins Bett. Nur Anna kam noch einmal hinauf zu uns, hatte wohl Angst bekommen.

Mittwoch, 21. Mai – Sarnthein und Wald

In der Früh wollte ich die Kinder doch nicht mutterseelenalleine am Hof lassen. Also fuhren wir alle früh eilig ins Dorf zur Bürgermeistersprechstunde. Zehn Grad im Dorf, regnerisch. Angenehmes Gespräch mit Bürgermeister Franz Locher – sein Vater stammt hier vom Nachbarn. Ich spreche die Wasserleitung und die Straße an; erstere sollte heuer kommen, letztere bald einmal erneuert werden. Die Stelle am Bildstock sollte gesichert werden.
Danach zum Grab, eine Kerze anzünden, Brot einkaufen, etwas Speck und Milch. Im Vorübergehen treffen wir Wwe. S., fröhlich, vergnügt, eilig wie früher. Sie hat sich wohl ganz erholt, Gott sei Dank.
Ich wollte nicht zu spät wieder am Hof sein. Mit dem Förster und den Kindern sind wir dann die Sonnseite abgegangen bis zur Grenze hinaus. Dickicht (und Zecken, wie sich viel später herausstellen sollte). Wenige schöne, alte Bäume. Am Rückweg entdeckte Anna auf der ehemaligen Angerwiese eine große grüne Schlange, eine Natter, ungiftig, wie uns der Fachmann versicherte. Sie schlich sich.
Die Aufforstung der Angerwiese ist ein Musterbeispiel forstwirtschaftlichen Misslingens: Eine schöne Wiese wird mit Fichten und Lärchen bepflanzt. In vierzig, fünfzig Jahren entsteht ein Dickicht, das beim ersten starken Wind völlig durcheinandergewirbelt wird. Hoher Schaden, hohe Aufräumkosten. Danach wieder Urwald. Schlingpflanzen, Dornen, Buschwerk.
Die Kinder sind dann alleine die alte Straße zur Tanzbachbrücke hinunter gegangen – das kleine Handfunkgerät reicht gut vom Hof bis hinunter, sagenhaft! Ich mühte mich in der Mittagshitze den Berg wieder hoch, holte Geld und Wagen. Eigentlich hatte ich das Mittagessen in Bundschen nur vorgeschlagen, um unsere aktive Amtsperson mit einzuladen. Der wollte aber nicht; hätte ich mir eigentlich denken können. Also nur mit den Kindern nett ein großes Wiener Schnitzel mit Röstkartoffeln (Pommes gab es nicht, juhu!) gegessen (Anna), Spaghetti mit Tomatensauce (Carla) und eine Frittatensuppe (sprich Fitattensuppe; Fritz), wieder viel zu viel für die Kinder, dazu fünf gespritzte Apfelsäfte. Der Sohn der Wirtin macht Matura, will in München Maschinenbau studieren. Birte kennt ihn vom Praktikum.
Um zwei waren wir wieder am Hof, fuhren mit dem Förster und Albert den Italienerweg hinauf, neue Schlägerungsmöglichkeiten und die vorjährigen Hiebe ansehen.
Zurück in der Stube. Die Kinder frieren, aber nur ein wenig. Immerhin haben wir 18,8 Grad im Wohnzimmer, draußen 13,7. Wir machen uns ein gemütliches Abendessen, Nudeln mit Tomatensauce. Anna präferiert eine Marmeladesemmel – hier gibt es die besten Semmeln, meint sie. Und ein bissl Heimweh hat sie auch, es hält sich aber in Grenzen. Wir wollen alle zusammen früh ins Bett gehen, uns wieder Gedichte vorlesen (Reclam Die Wundertüte, von Ingeborg für Carla), wollen träumen.


Donnerstag, 22. Mai 2008 – Hofversammlung

Wieder frisch in der Früh, 14 Grad draußen, zwei mehr herinnen in der Stube (vor der Belebung). Vor den Fenstern Wolkenreißen. Wir aber haben lang und gut geschlafen. (Ich bin schon zwei Drittel durch The Tender Bar von J. R. Moehringer bezw. von Birte.) Ein gutes Frühstück. Ich entdecke nebenher, dass jemand versucht hat, das Kabel des Wasserwärmers anzuknabbern … Telefon und Fotoapparat sind nach wie vor kaputt, Selbstheilung immer unwahrscheinlicher.
Draußen im Zimmerhüttl entdecke ich einen kleinen »Fernseher«. Carla sucht sich sofort eine Fernbedienung dazu, dann haben mich die Kinder fortgeschickt. Sie wollen die Sendung mit dem Elefanten, Was ist Was und etwas Barbie sehen. Dabei ist alles nur Holz, Brennholz, sehr ökologisch, pädagogisch wertvoll.
Max zeigt sich um halb zwölf; sie waren wohl erst nachts um eins aus Wien gekommen. Die Kinder, Simon (8), Theresa (9, bald 10), gleich mitsammen gespielt, zwei kleine Kätzchen im Heu im Stadel entdeckt. Jetzt sind Maxens ab ins Dorf, einkaufen, essen. Ich versuche, das Tagebuch als Datei über Bluetooth in den Blackberry zu übertragen, von dort aus zu mailen, doch: »Dienst "Dateiübertragung" wurde auf Gerät Blackberry 8800 nicht gefunden.« Draußen ist’s wieder etwas sonnig und warm, 17 Grad. Glückliches Südtirol.
Wir machen einen Spaziergang zur »Badewanne«, finden die Ameisenstraße ziemlich unbenutzt, Löwenzahn für Salat, ein Schneckenpaar heftig miteinander zugange – am Rückweg immer noch … Dann ein leckeres Mittagessen: Dazu servieren wir Nudeln an Giselas Plus-Spezialsauce für Carla, Rührei für Anna, Salat à la Feldweg, knack- und taufrisch, allerdings etwas bitter, was so Löwenzahnart ist, ganz zu schweigen davon, dass wir hier zwar eine Menge Essigflaschen haben, Balsamico hinauf und hinunter, dass Öl aber fehlt. Dazu reichen wir Wurst und Speck. Zwischendurch wird getauscht, gehandelt und überhaupt ist die Stimmung gut!
Am Nachmittag spielen »meine« Kinder mit den Wiener Kindern (Nasaler Ton) in Haus und Hof, hauptsächlich im Zimmerhüttl und im Stadel, funkverbunden. Mit Max und Michl machen wir derweilen die offizielle Hofversammlung. Es war ein ertragreiches Jahr 2007. Dann ruft Huinz an, und statt langehin einen Termin im Sommer auszumachen, kommt er spontan vorbei, nachdem er eigens nach zwei Flaschen Wein zum Mitbringen gesucht hatte, der Gute! Es gibt halt noch Leute, die wissen, was sich ziemt. Eine rot, eine weiß, zur Auswahl, und beide zum Behalten. Wir sitzen in der Stube, am Nussbaumtisch, den die Kinder brav Polly-Pocket-frei gemacht hatten. Schließlich kommen die Pächter, Huinz bricht auf, noch ein paar Themen wie Landwirtschaft und ihre Rolle für die Anwesenden, dann gehen alle müde ins Bett. Die Kinder hatten oben gegessen, ich ersetze das durch »stramme Haltung«. Carla verliert einen silbernen Ohrstecker, weint.
Noch weiter zur Technik: Weil das Festnetztelefon immer noch streikt, versuche ich es mobil. Die wunderbare HSDPA-Karte der T-Mobile zeigt in ihrem Programm »T-Mobile web'n'walk Manager« – an großen Sprüchen hat’s noch nie gefehlt – zwei fette Balken Netz, dazu I TIM (Italien, Telecom Italia Mobile) und Roam. Sogar die Einwahl klappt. Dann aber bleibt die Geschwindigkeit bei etwa 3 kbit/s, höchstens einmal 5 kbit/s. Kein Wunder, dass da keine Mail durchgeht: unbekannter Fehler 0x800CCC0B. Also, alter Hase, zurück zur sicheren Leitungsverbindung! Ich verbinde den Blackberry über Bluetooth mit dem Rechner, will ihn als Modem verwenden. Das geht, soweit es die Anwahl einer Rufnummer betrifft (+49 69 191011), dann aber können die Modems nicht zusammenfinden. Ich probiere dasselbe mit dem Nokia, es klappt einwandfrei. Das ist aber meine ganz private Karte, das Ferngespräch nach Deutschland ist mir für die üblichen Wünsche des Computers nach Virenupdates und Mails zu teuer. Ich probiere Leitungswählen mit der HSDPA-Karte im PC, und siehe, es klappt auch. Die Mail mit dem Tagebuch geht raus, mit 6,4 kbit/s, die aber unerschütterlich, zuweilen sogar bis auf 8 sich steigernd. Inzwischen habe ich sogar mobil meine Bozner Anwahl ins Netz der Brennercom geschafft (+39 0471 050121), das müsste viel billiger sein. – Klappt auch, doch zunächst bei 6,2 kbit/s-Download nur 0,4 kbit/s Upload, was für Post definitiv zu wenig ist. Freitag früh stellt sich heraus, dass es dann aber am Versenden über Google-Mail liegt und der zugehörigen (paranoiden) SSL-Verschlüsselung. Nachdem ich normal über eins und eins versende, steigt die Hochladegeschwindigkeit auf 8 kbit/s. Nach ein paar Minuten ist meine 340-kByte-Mail mit Bild weg.

Freitag, 23. Mai 2008

Die ganze Nacht hat es scheint’s geregnet. Um viertel vor neun geht aber brav die Sonne auf, ein paar Minuten später umschwadet Nebel das Haus und den Blick ins Tal, bis die Sonne auch diesen gehoben hat, und nur mehr Wolken bleiben in den Hochtälern, zur besseren Darstellung von Waldsilhouetten. Wunderschön.
Die Kinder spielen wieder draußen – das war ihnen das Liebste –, Max und Ulli sind ins Dorf gefahren, danach wollen Max und ich die möglichen Schlägerungen 2008 abwandern am Berg.
Das Wetter wird immer schöner, wie üblich hier. Nach einem ausgiebigen Mittagessen – Tütensuppe, zweierlei Nudeln, Tomatensauce, Rührei – kleine Mittagsrast. Anna liest, Carla schläft. Dann fahre ich mit Max in den Wald hinauf. Dort treffen wir unseren Holzarbeiter Louis am Italienerweg an der Seilwinde, Holz hochziehend. Unten am Schlag lädt sein Mitarbeiter auf, den wir über den Quellenweg besuchen. Max sieht sich auch die beiden weiteren vorjährigen Schlägerungen an, ganz schön groß, finde ich. Dann wandern wir steil hinauf von der Kehre des Italienerwegs auf die Schragen zur ehemaligen Brunnwiese (ca. 1250m auf 1500 m). Dort findet man eine alte Wegspur, sozusagen einen unteren Höhenweg. Wo an drei Bäumen mit gelben Ringen die Abteilung 6 angezeichnet ist, geht es außerhalb des Luttertals den Jägersteig hinunter – die alte Direttissima vom Hof auf den Sam. Auf der Brunnwiese leider wieder alte Käferbäume. Von oben herrlich weiter Blick, später auch vom Hof ins frisch grünende Tal. Sonne, fast Sommer.
Nachmittags erwischte ich die Kinder beim Nintendo-Spielen am Hof und habe sie zum Haselbrunner gescheucht, zu viert erstmals allein ohne Erwachsene ein Waldspaziergang. (Natürlich remotely controlled über 446 MHz, was gut zum doch eine Viertelstunde entfernten Nachbarn reicht.)
Zu Abend essen die Kinder alle oben bei Max und Ulli Spaghetti, ich eher besinnlich allein unten.


Samstag, 24. Mai – Bozen—Bonn

Trotz frühem Aufstehen und kursorischem Packen: Es dauert über zwei Stunden, bis man alles beisammen und im Auto verstaut hat. Ein bisschen Frühstück gab es auch noch. Wir sind dann gegen halb zehn losgekommen (13,5 Grad, bedeckt. km 207492 = 101 km in Südtirol), haben noch Albert in voller Jägerausrüstung an seinem Haus vor Sarnthein getroffen, dann gemütlich übers Penser Joch (10.30 Uhr, 7 Grad) hinunter nach Sterzing. Kleines Kotzen an der üblichen Stelle unterhalb Egg, diesmal Carla, perfekt in die Tüte. Anna hatte ihre Tablette intus und vielleicht etwas weniger Orangensaft zum Frühstück gehabt.
Elf Uhr italienische Maut mit Schlangen – inzwischen Euro 1,10 –, Brenner, und es wird immer schöner, wärmer, sommerlicher. Tanken in Angath, und mit dieser Tankfüllung bis Bonn und dort noch Stadtfahrten. Ja, man kann einfach nicht mehr schnell fahren auf deutschen Autobahnen. Nach langer, ereignisloser, recht pausenloser Fahrt um sechs in Bonn, 8½ Stunden also Teilstrecke siehe http://www.gpsed.com/track/419618043265274196 – die dort errechnete Höchstgeschwindigkeit von 253 km/h ist Unsinn. An Bonn km 208322 = 830 km).
Und hier gleich ein Grillfest im Garten mit Annas Eltern und Birte, die auf Besuch war. Klasse Gisela!
Und danach? Wir hatten uns Zecken eingefangen, Carla nur eine kleine, leicht entfernbare im Nacken, ich eine dicke fette am Bein. Die Tierchen sind den meisten Menschen eklig, also weiter zum nächsten Thema. Die Kamera mit Birtes Hilfe zerlegt, gefummelt, ganz geht sie (noch?) nicht (Alles in allem: Ein sehr schönes Erlebnis für die Kinder und mich; bei mir trotz weitgehender »Selbstbestimmung« doch eher etwas Stress.
Hier noch kurz die rauschende Talfer in Sarnthein:



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15. Mai 2008

Erst A. Lorenz gewidmet.

Innenleben und Reparatur von meinem digitalen

Funk-Klappwecker




Junghans MEGA travel
im
Laptop-Design

Gisela hatte mir das gute Stück vor vielen Jahren geschenkt, zu einem besseren Anlass, denn der Wecker war schon zu D-Mark-Zeiten teuer. Ich schätze ihn sehr. Carla spielte damit als ganz Kleine Laptop. Anderen ging es auch so. Wolf-Dieter Roth schrieb schon am 5. September 2005 bei Heise einen Nachruf. Fast wäre es bei mir auch so gekommen. Ich muss zugeben: Es war ein harter Schlag, der seine Anzeige erblinden ließ. Bei Druck auf den Bildschirm hat sie noch ein wenig geflackert. Dann war alles aus.

Hier unten neu ↓: Wie der Wecker aufgeht

Die oberen beiden Bilder zeigen den frisch reparierten Wecker, geschlossen und aufgeklappt. Im großen Bild hier der ganz geöffnete Wecker, allerdings kaputt: Das Flachbandkabel zwischen Basis und Deckel ist entzwei. Die großen seitlichen »Befestigungsschrauben« aus dem Scharnier sind nicht mit abgebildet.Man sieht: Die auf Knopfdruck hinterleuchtete Flüssigkristallanzeige (LCD-Anzeige), rechts oben im Bild, ist ein Stück Glas, das hinten unten über eine elastische rosa Leiste mit einer Kontaktreihe im Deckel verbunden ist. Das ist keine sichere, keine feste Verbindung. Tritt also nach einem Fall »Blindheit« auf, so versuche man, erst einmal nur den Deckel (Oberteil, Klappe) zu öffnen. Vielleicht reicht sogar nur Druck auf die Bildschirmunterkante? Öffnen geht durch vorsichtiges Aufsprengen entlang der Gehäusekante. Der Basisteil lässt sich übrigens genauso aufsprengen. Ich nahm Carlas schweizer Messer. Eventuell bleiben trotzdem ein paar Plastikhäkchen auf der Strecke – macht nichts. Klicken Sie auf das Bild, und sehen Sie sich’s genauer an. Durch Säubern der Kontakte und neues Ausrichten der Scheibe wird der Fehler meist einfach zu beheben sein.

Mein Fehler war, dass ich das nicht wusste. Ich öffnete erst einmal das Scharnier rechts und links des Batteriegehäuses. Rechts sitzt eine Schraube mit Stift, links ist darunter noch eine weiße Hülse als Plastikhemmung. Es sind einfache Drehverschlüsse. Mit einer Schere kann man die Deckel leicht die nötigen etwa dreißig Grad drehen und sie dann vorsichtig heraushebeln. Danach ist das Scharnier offen – und nur mehr das Flachkabel verbindet Boden mit Deckel! Wie von Flachkabeln in Scharnieren gewohnt, werden sie mit der Zeit spröde, brüchig, und reißen. So auch bei mir, siehe Bild.

Das Flachkabel hat zehn Leitungen. Die Kontakte in der Basis von oben nach unten entsprechen den Kontakten von unten nach oben im Deckel. Ich habe das Flachkabel dann durch zehn einzelne dünne Litzendrähte ersetzt. Litzen (Seile) sind flexibler als einzelne dicke Drähte. Dazu hat mir wie gewohnt der hilfreiche Herr Lorenz in der P+M-Elektronik in Bonn in der Budapester Straße geraten und mir ein Stück Kabel gleich mitgegeben – links im Bild. Das alte Flachkabel habe ich nicht ausgelötet, nur nachher gekürzt. Schön ist meine Löterei nicht geworden. Vor allem habe ich aus Bequemlichkeit und Angst die Kabel viel zu lang genommen. Dann wird’s hernach eng beim Zusammenbauen. Die Kabel im schmalen Deckel müssen später alle nach rechts schauen, weil links das Anzeigeglas sitzt. In der Basis, wo etwas mehr Platz ist, sollten die Kabel nicht so breit wie im Bild ausladen, sonst werden sie zwischen die Gehäuseteile eingeklemmt. Egal. Jetzt geht die Uhr wieder. Reparaturkosten: Zwei Euro freiwillig für das Kabel, Zeit, Spannung.

Irgendwo habe ich auch noch die Bedienungsanleitung (hier ein PDF-Auszug, links wie bei allen Bildern zum Vergrößern klicken). Sie dürfen mich auch weiter was fragen: Fritz@Joern.De.

PS: Das Löten hat auch so lang gedauert … Und nun ist Junghans nicht mehr. – Und P&M-Elektronik auch nicht!

Wie der Wecker aufgeht. Das Scharnier

Man beachte, dass links und rechts die Scharniere unterschiedlich sind. Links ist die »Bremse« in Form eines weißen Einsatzes, rechts laufen die Kabel durch.
   Ohne Bremse bleibt der Oberteil des Weckers (die Anzeige) locker und nicht mehr in jeder Stellung offen stehen.
   Der rechte äußere Abdeckdeckel hat eine Innenröhre, der linke nicht. Die Abdeckdeckel bekommt man durch eine kleine Drehung nach links lose (gegen den Uhrzeiger, ein »Bajonettverschluss«. ) – ich nahm eine Schere und hielt sie in die gegenüberliegenden Nuten. Dann kann man die Deckelchen mit etwas Geschick heraushebeln – mit einem scharfen Messer etwa. Wenn einer der beiden inneren Häckchen (wie hier das linke) abgebrochen ist, macht das erfahrunggemäß nichts.


Hier der rechte Deckel, herausgenommen, innen »meine« Leitungen an Stelle des originalen Flachkabels.

 



Hier der Verschuss, links, Innenansicht, ein kleiner Bajonettverschluss für den Deckel. Da sieht man aber erst, wenn der Deckel – wie hier – ab ist.
   Es folgt ein Einsatz aus weicherem, weißen Plastik, ich nenne ihn mal »die Bremse«. Er liegt hier verkehrt herum auf dem Wecker. Der lange Schlitz ist unten beziehungsweise innen und passt auf die Achse.



Hier von oben beziehungsweise außen gesehen, ein »Ameisenaschenbecher«, aber die rauchen ja nicht …






 
Die »Bremse« muss unten (innen) im entsprechenden »Balken« im Gehäuse sitzen, damit sie sich nicht mitdreht.




Hier sitzt die Bremse schon richtig drin, muss aber noch vom äußeren Abschlussdeckel (liegt verkehrtherum unterhalb), dem ohne Innenröhre, festgehalten werden.

Ja, nochwas. Den Deckel der Basis mit den fünf Einstellknöpfen bekommt man lose, indem man ihn einfach hochhebelt. Hier das geschlossene Gehäuse von der linken Seite  her gesehen.

← Hier den Oberteil abhebeln.
 
Bei mir geht der Minus-Knopf nicht mehr, irgendwas am Chip muss faul sein. Der Wecker ist jetzt wie ein ganz alter: Die Wechzeit lässt sich nur in einer Richtung stellen. Schade.
   Unten habe ich eine kleine Bedienungsanleitung angeklebt.
Die sieht übrigens so aus:

                                                   1                    4
                                                   2   
                                                   3                    5

                                                   Weckzeit 21, 23
                                                   Wecken e/aus 4
                                                   Zeitzone übl. =1
                                                   sonst       52, 53
                                                   Zeitumstellung
                                                   autom.  oder  n.
                                                   Batteriewechsel

That’s all, und ich entschuldige mich, dass der Wecker inzwischen schon alt ist und nicht mehr ganz astrein.
   Außerdem tippe ich das schon zum zweiten Mal, weil mir Blogger den ersten Ergänzungsentwurf in die Cloud kippte, auf Nimmerwiedersehen.

Link hierher zum Weitergeben http://j.mp/2BsQX4k
   = https://blogabissl.blogspot.com/2008/05/erst-a.html


Biodiversität. Unter dem Slogan »One Nature · One World · Our Future« passiert hier in Bonn gerade eine Konferenz namens »Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt«, kürzer “COP 9 of the UN CBD”. Plakate für diese eine Welt laden zu »unserem« Engagement für biologische Vielfalt ein. Gut und schön, aber keineswegs klar. Die Macher machen es sich zu einfach mit ihrer platten Reklame für gesellschaftlich modische Trends. Warum dürfen denn keine Arten aussterben? Ist die Welt ein Museum? Ich habe das Gefühl, dass sich nur immer nichts ändern sollte, dann halten wir fest an den guten, alten Zeiten, an einer kühlen Welt mit Fallobst. Aber bitte, ich habe die hundertfünfundsechzigseitige Konvention nicht gelesen. Der Mensch hat Verantwortung für Natur. Dazu gehört, gelegentlich auch einmal einen Baum zu fällen oder Malaria zu bekämpfen. Dazu gehört auch Bescheidenheit, Wissen um die menschenunabhängige Macht der Natur. Der Wandel der Natur, die Liebe des Menschen zur Natur sind weite Felder, unendliche Themen.

14. Mai 2008

Zwei neue alte Wörter. »Die altdeutsche Fabel von den Zwölfen, die zum Turſen kommen, und welche die Frau vorher warnt und aufs Gaden ſteigen heißt, iſt nur moraliſch anders gewendet.« – so steht’s im dritten kleinen Band »Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen, Reclam-Jubiläumsausgabe zum 200. Geburtstag der Brüder Grimm 1985/86« zu »Hänſel und Gretel«, den die liebe Frau Britting unserer Carla zur Geburt geschenkt hat, reproduziert in Fraktur (nur im dritten Band, keine Angst!). Da musste ich erst einmal diesen Turſen richtig lesen mit seinem langen ſ (Tursen also, nicht Turfen), und verstand ihn dann doch so wenig wie das Gaden. Ein paar Minuten Suche im Web, und schon waren Turse und Gaden gefunden: (gefährlicher) Riese und (sicherer) Speicher im Obergeschoss. Carla, inzwischen sechs, lernt die Wörter mit.

11. Mai 2008

Paris im Mai 2008

Von Bonn nach Paris ist es nur ein Katzensprung. Wir fahren gerne hin, zuletzt waren im Herbst vor zwei Jahren da (http://picasaweb.google.com/Fritz.Joern/ParisOktober2006). Heuer hatten wir Frühling. Hier die Bilder: http://picasaweb.google.com/Fritz.Joern/ParisMai2008 (oder hier auf die Fotos klicken)

Donnerstag, 1. Mai 2008 – Bonn—Paris


An einem herrlichen ersten Mai, Donnerstag, zugleich Christi Himmelfahrt und also ›Vatertag‹, fuhren wir gegen halb neun nach frischem Tanken am Verteilerkreisel hurtig los, A 555 (was produzieren die eigentlich in dem Chemiewerk?), Kölner Ring, dann noch, wo’s geht, Gas geben Richtung Aachen, bevor die »ätzenden« Dauergeschwindigkeitsbeschränkungen (und schlechten Autobahnen) in Belgien und Frankreich beginnen. Kohlekraftwerke (Weisweiler) dampfen in die glasklare Luft. In Belgien verliert der Blackberry Datenkontakt. Wir beobachten den Pannendienst, wie er an einer Raststätte einen Polo vorsichtig-fachmännisch aufhebelt, mit Klebstreifen gegen Verkratzen und kleinen Luftkissen zum Aufpumpen, um die drin liegengelassenen Autoschlüssel zu bergen. Vor der französischen Grenze – nur wegen der vorgeschriebenen Langsamfahrt am Grenzübergang – langer Stau. Dann die zielgerade Mautstrecke – Autobahn pur, smoothly riding in luxury –, immer wieder von TGV-Zügen links überholt, nach Paris.

Dank europaweiter Navigation in Giselas Auto wurden wir schnurstracks in die Rue du Faubourg Poissonnière (wörtlich wohl Vorstadt der Fischhändlerin) N° 37 geleitet, stressfrei, sonnig und schön, Ankunft halb zwei. »Paulina«, unsere Guardienne, war da, Handyanruf genügte. Sie zeigte uns, wie man das Sofa (als drittes und ev. viertes Bett) ausklappt zur Nacht. Ein Obstkorb, im Kühlschrank das Nötigste wie Wasser und Milch, Butter, und sogar selbstgemachte Pflaumenmarmelade hatte Paulina spendiert. Die Wohnung – ein Wohnzimmer mit Küchenecke, in das man direkt vom Innenhof kommt, Schlafzimmer, Bad – ist wunderbar, frisch und gut ausgebaut, scheint’s aus einer ehemaligen Remise. Alte Steinmauern sind offen belassen, gebürstet und geätzt (Manuel et Paulina Goncalves Sousa, 37 rue du Faubourg Poissonnière, 75009 Paris, +33-148240057, mobil +33-630007368, E-Mail Tamaqueiro@Hotmail.com, spanisch oder französisch, ca. 110 Euro je Nacht). Ich hab’ dann das Auto geparkt, im nahen Parkhaus, für dreißig Euro am Tag, wenn man nicht Hotelrabatt bekommt (Park Alizés: Parking Rex Atrium, +33-142466725).

Wie wir’s Carla versprochen hatten, sind wir dann gleich zu »ihrem« Karussell am Fuß des Montmartre ›zurückgekehrt‹, mit der U-Bahn, rosa Linie, ab Poissonnière über Stalingrad und der Hochbahn der blauen Linie nach Anvers. Das klingt weit, ist es aber nicht. Man sollte sich vor U-Bahnfahrten Endstationen, Um- und Aussteigebahnhöfe notieren, sonst läuft man leicht unterirdisch in die Irre – was uns dann am nächsten Tag prompt passiert ist.

Am Montmartre die Fülle! Fast schon indische Verhältnisse. Das Karussell aber ist und bleibt gemütlich, altmodisch, familiär. Carla bekam drei Fahrten, wir Entspannung auf einer Bank dahinter. Auf halber Montmarte-Höhe hat Carla dann vor lauter Freude gleich einen Kopfstand gemacht, erschwert durch die Geländeneigung, und nicht gut genug zum Spendensammeln. Gisela ersparte sich den ganzen Aufstieg zu Sacré Cœr – die Seilbahn hinauf war hoffnungslos bedrängt, und besonders schön oder alt ist sie ja auch nicht. Gisela leidet unter Knieschmerzen, nicht gut für viel Sightseeing. Carla und ich zwängten uns die Stufen der ›Freitreppe‹ hinauf, drehten in der Kirche die obligatorische Runde (im Gegensatz zu Supermärkten rechtsherum), zündeten eine Kerze an. Rummel, dass man Angst hat um sein Portemonnaie.

Den Rückweg ›nach Hause‹ haben wir dann gemütlich zu Fuß gemacht. Kaum waren wir ein paar Meter von den Touristenattraktionen entfernt, zeigte sich die Stadt sonntäglich leer, selbst Mietfahrräder waren noch zu haben. Die sind übrigens eine super Sache für Touristen! Fürs nächste Mal, wenn Carla größer ist, haben wir uns Radeln in Paris vorgenommen (hier ein Artikel dazu, s. a. NZZ 28.6.8 «Die Schattenseiten der Pariser Velorevolution»*). Doch zurück zu unserer Wanderung: Sie lässt sich hier in Google-Earth Meter- und Minuten-genau nachverfolgen, dank GPS-Blackberry und GPSed.com. Eine phantastische Erfindung, wenn es klappt. Vor allem das Taggen (Markieren) von Fotos mit den geographischen Aufnahmekoordinaten lässt sich machen, heutzutage erst halbautomatisch, bald ganz unbemerkt (s. i-GotU GT-100). Dann wird man hoffentlich auch Bilder schneller wiederfinden können, wie mit Panoramio-Bildern in Google-Earth – wo übrigens schon so ungefähr alles abgelichtet ist, was man je als Fremder fotografiert. Wir hätten den Apparat zu Hause lassen können. Nun denn, Fotos von Carla am Karussell oder Spielplatz auf der Square de Montholon hätte es nicht gegeben. Ich habe dann noch, siehe Track, einen kleinen Schlenker durch die Rue Ambroise Thomas gemacht, einen Court würde man diese innenliegenden Straßen in London nennen (schönes Panoramio-Foto in Google-Earth). Ein orthodoxer Jude rief gerade von der Straße aus mit dem Handy seinen Freund an, er solle sich doch am Balkon zeigen.

Nach kurzer Entspannung in der Wohnung sind wir dann die paar Schritte südwärts Richtung Zentrum auf den Boulevard Poissonnière gewandert, der dort vielleicht schon Boulevard de Bonne Nouvelle heißt, Abendessen gegenüber dem Rex-Kino (www.legrandrex.com) im Gymnase. So nennt sich auch das kleine « Théâtre du Gymnase dramatique » ein paar Häuser weiter östlich (Bernard Farcy spielte gerade Oscar, wir ließen ihn.) Gisela und Carla begnügen sich mit Entrecôtes, ich aß zwei Hühnerspieße mit Reis und Currysauce, dann gab’s zum Kaffee für Maman Mousse au Chocolat und für Papa einen Colonel – bekannt? – zusammen siebenundsiebzig Euro. Alles eher mittelgut.

Doch beseelt wandern wir heim. Der Tante-Emma-Laden nebenan – oder sollte man Minimikrobazar sagen? – hatte immer noch offen, unglaublich.

Freitag, 2. Mai 2008 – Louvre

Erst einmal holte ich frische Baguettes und Brötchen. Dann gab’s ein feines Frühstück. Danach brachte uns Bus Linie 48 von Haltestelle Petites Ecuries (kleine Marställe) gleich vor der Haustür in die Stadt direkt zum Palais Royale vor dem Louvre. Ein kleiner schöner Brunnen (wie heißt der?) begrüßte uns in der Morgensonne auf der Place André Malraux.

Im Louvre stauten sich die Menschenmassen; lange Schlangen vor allen Eingängen. Wir wählten den oberirdischen Nordeingang, der weniger überlaufen ist. Aggy Lerolle (Aggy.Lerolle@Louvre.Fr) von der Presseabteilung hatte uns ganz besonders freundlich zwei Portionen laissez-passers geschickt, schlichte schwarzweiße Kärtchen. Prompt meinte der befragte Wärter und ›Schlangenbeschwörer‹ scherzhaft, die seien eh gefälscht, erkannte dann aber an meiner ehrlichen Entrüstung deren Echtheit. Fairness gegen Frau (?) Lerolle verbietet mir, hier eine Kopieranleitung zu bringen. Jedenfalls kamen wir hervorragend schnell und kostenlos in alle Ausstellungen. Die Eingangskontrollen der Rucksäcke sind absolut kursorisch – ich hoffe, der Ausdruck ist potenziellen Attentätern, die das lesen, fremd.

Im Louvre gedämpfte, aufgeräumt-erwartungsvolle Jahrmarktstimmung, Erlebnis pur. Überall Wegweiser direkt zur Mona Lisa, la gioconda, deren Lächeln man sich besser in der Wikipedia ansieht als aus des Raumes Ferne am umlagerten Original. Fotografieren ist in den Pariser Museen erlaubt, was ich gut finde, weil es ohnehin nicht zu verhindern ist, und den Leuten persönliche Andenken beschert. Man lichtet sich wechselseitig ab mit berühmten Skulpturen, in den modern überdachten Innenhöfen, dekorativ vor Bildern. Das Museum hatte zur weiteren Erlebnisverstärkung zwischendurch moderne Kunst in alte Säle gepackt; so haben sogar die Kinder was zu sehen, selbst wenn sie die alten Meister langweilen oder sie sie mangels Körpergröße oder Digitalfotoapparat (über Kopf halten!) nicht zu sehen bekommen. Ich musste wieder an meine Glosse »Multimonalisa« aus dem Jahr 2000 denken. Damals war es noch leer dort gegen heute, und die Digitalkameras noch neu.

Wir suchten dann Holländer und alte deutsche Meister, fanden Vermeer im Richelieu-Flügel, die Deutschen aber eher nicht. Fehlende Detailplanung. Gisela ließ sich von drängelnden Japanerinnen anrempeln, schmuste mit Carla und erklärte ihr alles – Jan Lievens’ ›jungen Zeichner‹ hatte Carla (6) für Onno T. gehalten –, ich war vom weniger umlagerten Ausblick über die Tuileriengärten abgelenkt: frisches Frühlingsgrün, glänzendes Gold auf der Quadriga des Triumphbogens, in der Ferne der Eiffelturm, und über allem ein strahlend blauer Kumuluswolken-Himmel. Einfach schön. Innen, die eigentlichen Louvre-Bilder, die musste man sich vor vielen Jahren angesehen haben, als es noch nicht so voll war. Da ist’s schön, wenn man schon älter ist. Ob unsere Kinder je ein so inniges Verhältnis zu alten Meistern bekommen werden? Wir hatten weniger Ablenkung, keine Player, kein Internet, keine Mail oder SMS. In Berlin hatte ich als Student (der Technik!) von jedem Bild in Dahlem sagen können, wo es hing; und zum Telefonieren kannte ich ein paar unveröffentlichte Telefonnummern von Telefonzellen, wo man auf Verabredung zeitgenau an den Apparat gehen musste, um sich zu sprechen. Ich denke, es lässt sich auch ohne Unterscheidung von Canaletto und Guardi leben. Was bleibt sei die Intensität des Lebens, des Erlebens. Ich habe ja auch die Kunst ganz aus den Augen verloren, assoziiere im neuesten Folio bei Jeff Koonshängendem Herzen (zuletzt 23,6 Millionen Dollar wert) absolut nichts …

Mittags sind wir dann wieder heraus aus dem Louvre, setzten uns mit hunderten anderen Touristen an den Rand der Brunnen um die Pyramide – man musste direkt auf einen freien Platz warten –, aßen unsere Brote, genossen Treiben und Aussicht.

Dann wollten wir zu Nôtre Dame, statt zu Fuß mit der U-Bahn. Beim Umsteigen in Châtelet führte ich leider die ohnehin fußlahme Familie in die Irre, lange Gänge, stehende Fließbänder, und wieder zurück zur türkisen Linie, alles nur wegen einer einzigen Station (Cité), es hat sich wirklich nicht gelohnt. Zumal in Nôtre Dame kein Hineinkommen war, so hoffnungslos lange war die Schlange, der Vorplatz so voll. Also haben wir uns die Fassade angesehen und landeten dann – inneren Drängen folgend – in einem Nepp-Kaffeehaus am Eck, wo sich die schon wieder hungrige Carla noch dazu ein Hotdog bestellte, katastrophal und sündteuer, acht Euro für den lauwarmen ›Hund‹, sechs für einen schlechten Kaffee. Man sollte wirklich wie ein Bergsteiger nur mit Mitgebrachtem auskommen, Rucksacktourismus. Bleibt dann das Problem, wo man’s wieder los wird.

In der Nachmittagshitze wanderten wir zurück Richtung Stadt, zunächst zum alten Rathaus, kauften schöne, alte Schwarzweiß-Ansichtskarten. Am Rathausplatz, auch dort, steht, als sei’s ein überdimensionaler Stern für eine Pariser Sehenswürdigkeit, ein altes Karussell. Carla durfte nun schon traditionsgemäß dreimal fahren. (Erstaunlicherweise zeigt das Satellitenbild in Google-Earth dort zwar jeden Fußgänger, aber nicht das Karussell – 48° 51' 25, 91" 2° 21' 5" – und ein paar hundert Panoramio-Bilder.) Gisela und Carla bleiben lang im Postamt, nur um Marken zu kaufen, erlebten ein bisschen französischen Behördenbetrieb. Im Kaufhaus Bazar de l’ Hôtel de Ville (BHV) tätigten wir dann unseren sonst üblichen Samaritaine-Einkauf: Parfum (Papa déclaration von Cartier, Mama First van Cleef & Arpels, Carla Spielzeug (Polly Pockets), und für alle eine kleine Ersatzbirne für unseren Eingang in Bonn (Ø 35 mm). Ja, für mich noch einen neuen Reiserasierpinsel – alles unglaublich teuer aber fein. (Mein letzter stammt noch aus Genf oder Frankfurt, der Pinseleinsatz aus Baden-Baden.)

Am Weg zum aufgefrischten Centre Pompidou ein wunderschöner Laden für Perlen zum Auffädeln oder Annähen, den Gisela und Carla ausgiebig genießen und kleine Andenken für Carlas Freundinnen kauften. Wie halten sich solche Geschäfte, und sind dazu noch überlaufen?

Das Centre Pompidou war sehr erfreulich. Wir hätten uns dafür mehr Zeit nehmen sollen. Die Ausstellung moderner Kunst (zehn Euro Eintritt) ist vielfältig und übersichtlich, nicht überladen, luftig, für jeden etwas. Dass man sich zur Kunst dazufotografieren kann, kommt als Bonus noch dazu. Von oben hat man einen schönen Blick auf Sacré Cœr oder Eiffeltum.

Danach wollten wir endlich wieder heim, nahmen die U-Bahn bis Bonne Nouvelle – man ist in Paris angeblich nie weiter als fünfhundert Meter von einer U-Bahn-Station entfernt. Mit den Fahrkarten – wir hatten zehn Stück en gros gekauft – gab’s ein Durcheinander: Die einen gelten nur für Busse, die anderen scheint’s für die Bahn; und ob sie schon gebraucht sind, sieht man auch nicht auf den ersten Blick. Früher hat man halt Karten gelocht.

Der Boulevard Bonne Nouvelle wurde unsere »Fressgass’«, und diesmal sogar das Essen gut und einigermaßen preiswert (vierzig Euro), dank der Kette Indiana mit ihrem tex-mex food: Gisela nachos, ich burritos und Carla chicken McNuggets mit Fritten als Kindermenü samt Eis für neun Euro. Bissl choosy, das child, aber OK.

Beim unermüdlichen Lebensmittelhändler neben unserem Eingang haben wir dann noch – um zehn nach zehn an einem Samstag – eingekauft, Eier, Käse, Kekse, Wasser und Milch.

Samstag, 3. Mai – Rundfahrt mit dem Aussichtsbus

Gisela macht sich schön – die Dusche ist exzellent –, ich drehe eine Morgenrunde durch das Viertel, sehe mir Eingänge und Hinterhöfe an, kaufe die doppelte Portion Baguettes, schon für den Sonntag. Dann bereitet Gisela ein üppiges Frühstück. Erst beim Aktivieren der Mikrowelle für Carlas Kakao war’s zu viel, und die Sicherung fliegt heraus. Man kennt das ja von verbilligten Haushaltstarifen. Alarm. Gisela ist beeindruckt, dass ich weiß, was ›Sicherung‹ auf Französisch heißt. (Dabei hab’ ich zwei Jahre in Genf gelebt, in einem früheren Leben.) Zuerst war Paulina nicht zu erreichen, und als dann doch schlaftrunken ihre Tochter auftauchte, hatten wir den Sicherungskasten an der Außenwand schon selbst gefunden. So gab es doch wieder ein gutes, selbstgemachtes, ausgedehntes Frühstück (obwohl man besser früh dran ist …), diesmal sogar mit weichen Eiern in Gaslötkolbennachfüllflaschendeckel und sonstigen Schnapsgläsern, weil wir keine Eierbecher gefunden hatten.

Dann mit dem Bus wie gewohnt in die Stadt. Die offenen Rundfahrbusse halten in der Avenue de l’ Opéra und am Louvre. Für 29 Euro (Kinder von vier bis elf Jahren 15, Zwei- und Dreitagesbilletts nur wenig teurer) bekommt man billige Kopfhörer-Ohrstöpsel und eine Fahrkarte, die man eigentlich gar nicht braucht bei dem Gedränge, dem allgemeinen Ein- und Ausgesteige, Routenwechel und überhauptigem Tohuwabohu. Die rote Linie (Les Cars Rouge) ist weniger empfehlenswert, die hat nur eine Streckenführung. Die L’ Open Tour dagegen bietet vier Rundrouten mit Umsteigestellen, insgesamt fünfzig Haltestellen für beliebige Fahrtunterbrechungen, und ebenfalls Kommentare in viel mehr Sprachen, als man kann. Überfüllung am offenen Oberdeck ist kein Problem, im Zweifelsfall sieht man stehend ohnehin besser – unerlaubt doch toleriert.

So kamen wir zum ersten Mal in die südlichen und östlichen Stadtviertel, Montparnasse, Saint Germain, Bastille, Bercy und die Neubauten am alten Hafen. Zumindest ins Montparnasse-Viertel müssen wir wieder hin! Diesmal leisten wir uns eine lange Mittagspause an und mit der Abtei Saint-Germain-des-Prés (wo Carla, im Lesen noch ein wenig schwach, den lieben Gott im Lichterkranz‎ יהוה‎ als ›Lego‹ las). Ein nettes Café Modell Milchbar, daneben ein kleiner Park und Kinderspielplatz mit dem Sèvre-Porzellantor für die Weltausstellung 1900 in Jugendstil.

Wieder oben im offenen Bus war es uns so heiß, dass ich unbedingt mein Haupt bedecken musste, und nur eine Stofftragetasche vom Grünen Punkt dabei hatte. Spass.

Nach der Bastille-Runde wollten wir eigentlich noch die gelbe Linie fahren, Richtung Sacré Cœr. Dazu stiegen wir an der Place de la Concorde aus, wanderten vorbei an noblen Geschäften und edlen Hotels zur Madeleine, und wollten dort ›gelb‹ wieder einsteigen. Weil wir inzwischen aber wieder ›mussten‹, waren wir etwas zu lang (und zu teuer, zwanzig Euro) in einem Kaffeehaus mit Blick auf die Madeleine gesessen. Die Folge: Der gelbe Bus kam und kam dann nicht, trotz Beteuerung anderer deutscher Touristen. So rief ich schließlich mobil die Nummer der Busse an: Es fuhr keiner mehr, immerhin abends um 19 Uhr 27.

Also machten wir uns enttäuscht auf, heimwärts hatschend, gingen aber noch zur Oper, ein imposanter Anblick in den Strahlen der Abendsonne. Dann – statt vernünftig mit einem Bus zu fahren – trotteten wir weiter die Grand Boulevards hinaus: Capucines, Haussmann, Poissonnière, bis zu unserer erlösenden Bonne Nouvelle. Gisela protestierte, ihr Knie tat ihr so weh. Zum Essen landeten wir im Brebant, gut und teuer (– € 100,50, 32 Blvd. Poissonnière, auch Hotel, Tel. +33 1 47700102). Gisela einen Cæsar’s Salad, Carla wieder ein riesen Entrecôte (22), Fritz Hühnerbrust mit Risotto, den ich so liebe; Eis für Carla und Mama, das von Gisela sogar ganz edel mit Pinienkernen und Pistazien. Danach ging’s uns wieder besser. Heim. Nacht.

Sonntag, 4. Mai 2008 – Rückreise über Reims

Sonntag früh hieß es packen. Ich bin dann noch mit Carla das Auto aus der Tiefgarage holen gegangen. Dabei habe ich den jungen Wärter in seinem Katakombenkabuff um den Glauben gebracht, als ich wegen vielleicht vierzig Euro Ermäßigung offenbar nicht mehr extra ins Hotel hochgehen wollte, mir die Rechnung holen. Lügen haben halt kurze Beine. Ich hatte seine Frage, ob ich Hotelgast sei, bejaht, gelogen also, und konnte dann freilich keine Rechnung vorzeigen. Ohne durfte er mich nicht billiger parken lassen. Ich hätte ihm doch am Ende meine Lüge gestehen sollen. Jetzt glaubt er gewiss, diese Deutschen hätten’s wie Heu. Tut mir leid.

Mit Carla hatte ich vorher noch in der nahen Kirche Ste. Cécile vorbeigeschaut, der Gottesdienst war gerade zu Ende, gegen elf. Viele Gläubige, zwei Priester wie bei den Protestanten zur Verabschiedung am Ausgang stehend.

Nun aber weg von Paris. Versailles hatte sich auf meine Mails aus Bonn nicht gemeldet gehabt, außerdem kannten wir’s, fürchteten die Fülle, und gegen die Richtung nach Bonn liegt es außerdem. Also war Fontainebleau in Frage gekommen – doch da war Tag der offenen Tür, also vermutlich überfüllt – oder eben Reims. “Worth a detour” hätte mein Michelin geschrieben. Dank Navigation ja kein Problem. Wir fuhren sonntäglich durch friedlich-hügelige Landschaften der Champagne, autobahnbequem, tempomatgeregelt, mussten alle paar Täler Maut zahlen. In Reims fährt man direkt auf die Kathedrale zu, ein unvergessbarer Eindruck, obwohl hier wie so oft bei Kirchen die beiden Türme stumpf und unvollendet erscheinen. Da sind wir von Köln verwöhnt. Rechts neben der Kathedrale ein Museum (und ein gutes Klo). Wenig Fremde, Einheimische so gut wie keine. Ein riesiger Kontrast zu Paris. Wir atmeten auf, sahen uns die schönen Statuen an samt dem berühmten lächelnden Engel (einflügelig!), innen die Glasfenster (eine Gruppe von Chagall), die ruhige, sonntäglich-kirchliche Stimmung umfing uns. Draußen ein Reiterstandbild einer knabenhaft-lieblichen Jeanne d’ Arc. Hernach wechselten wir nach einem Essensversuch in einem überforderten Eckcafé zu McDo.

Auf der Heimfahrt nach Bonn ließ uns das »dynamische« Audi-Navigationssystem im Stich. Wir standen eineinhalb Stunden in einem Stau auf der E42 in Belgien bei Verviers, alles war überfüllt, die Autobahn, jeder Parkplatz, die Tankstelle. Carla übte mit Gisela Plurale (nicht Plurals), machte Mathe-Punkte auf meinem Psion (selbst programmiert …) und zog sich rechts unten ihren sechsten Milchzahn. Landschaftlich war die Fahrt durch die uns unbekannten Ardennen schön und vielfältig. Man kommt richtig ein paar hundert Meter in die Höhe, was das Navigationssystem schön anzeigt. Statt vor halb acht kamen wir so erst zwanzig nach neun nach Hause, froh, zufrieden, glücklich.

*) Neue Zürcher Zeitung, 28. Juni 2008 (bei mir NZZParisRaeder): … eit einem Jahr sind 24 Millionen Ausleihvorgänge registriert worden. Jeden Tag sind rund 120 000 Leute mit den Fahrrädern unterwegs. … die mittlerweile 16 500 «Vélibs» stehen erst seit Juli 2007 zur Verfügung. … 200 000 «Vélib»-Jahresabonnements … seit Beginn des Leihfahrradsystems im Sommer 2007 verunfallten sieben Velofahrer tödlich. … Rund 30 Prozent der «Vélibs» fielen nämlich seit der Einweihung Vandalen und Dieben zum Opfer. Diese haben eine sehr eigene Auffassung vom Begriff «Selbstbedienung». Die Velos, welche die Firma JCDecaux laut Vertrag als Gegenleistung für Werbeflächen an mehr als 1300 Stationen innerhalb von Paris zur Verfügung stellen und warten muss, tauchen dann oft in den Aussengemeinden der Banlieue auf. Und laut «Le Parisien» wurden zahlreiche entwendete Exemplare sogar im fernen Rumänien gesichtet, wo sie wohl kaum Werbung für die «Vélib»-Revolution von Paris machen.